Hexenprozesse in IngolstadtEdmund Hausfelder |
In Bayern reichen die Hexenprozesse bis ins letzte Jahr der Regierung Herzog Albrechts V. zurück. 1578 wurde „ein Unhuldt“ namens Barbara Beyerl in der Münchener Schergenstube gefangen gehalten. Über ihr weiteres Schicksal liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Im selben Jahr wurde eine Margaretha Schilher aus Bozen, die unter der Folter gestanden hatte, eine Hexe zu sein, auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Der in der älteren Literatur manchmal erwähnte Fall des Bürgers Wolf Breymüller von Aufkirchen bei Wolfratshausen, der etwa 1583 hingerichtet wurde, dürfte andere Hintergründe gehabt haben (Giftmischerei und Mord). 1584 wurde in Ingolstadt eine Predigt über die Erledigung einer von 12.652 Teufeln besessenen Jungfrau gehalten und sogar gedruckt. Schon zehn Jahre zuvor hatte der Ingolstädter Pfarrer Hektor Wegmann an der Universität 95 theologische Thesen über Zauberei verteidigt. 1587 wurde in Schongau eine Bäuerin namens Geiger festgenommen, die laut Gutachten eines Wasenmeisters mehrere Pferde verhext haben sollte. Der Propst des Stiftes Steingaden wollte das Verfahren eingestellt haben, der zuständige Stadtrichter aber sandte die Untersuchungsakten an den Hofrat nach München. Auf dessen Urteil befahl Herzog Ferdinand, der Bruder Wilhelms V., in dessen Besitz sich Schongau damals befand, die Angeklagte mit Daumenschrauben foltern zu lassen. Die Frau war jedoch stark genug, die Folter ohne Geständnis zu überstehen und musste danach entlassen werden. Der Fall endete für die Angeklagte zwar verhältnismäßig günstig, doch nistete sich gleichzeitig in den Köpfen der Menschen der Hexenglaube immer stärker ein. Ab 1589 wurde Schongau und seine Umgebung ein Zentrum der Hexenverfolgung. |
Aus dem Jahr 1590 haben sich vier weitere Urgichten erhalten, diesmal von den Ingolstädterinnen Margaretha Rem, Barbara Kräl, Barbara Kreus und Ursula Steffani. Eine Urgicht war das Geständnis der Delinquentin. Diese Urgicht gab es in jedem Fall, denn wer konnte schon einer dreistufigen Folter mit ihren furchtbaren Qualen widerstehen? Auch diese vier verurteilten Frauen wurden zur Hinrichtung nach Eichstätt geführt. |
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In einem Gutachten vom 2. April 1601 kommt die Juristenfakultät zu dem Ergebnis, dass Denunzierungen anderer Hexen ein ausreichendes Indiz seien, bei unbescholtenen Personen sogar die Folter anzuwenden. Doch schon in einem neuen Gutachten vom 25. September 1601 weicht man von dieser Ansicht wieder ab und gibt zu bedenken, dass Aussagen von Hexen mit Vorsicht zu gebrauchen seien, denn die meisten seien durch die Qualen der Folter abgestumpft und sagten kaum die Wahrheit. Einige könnten sich sogar dem Glauben hingeben, dass sie durch viele Denunzierungen eher freigelassen würden. Dennoch ließ die Fakultät in diesem Gutachten die Folter an fünf Frauen zu, weil sie schon seit vielen Jahren als Hexen verschrien waren. |
Betrachten wir einige Mitglieder der Ingolstädter Juristenfakultät, so fällt zunächst ein Professor als besonderer Hexenverfolger auf, Georg Everhard. Er entstammte der bedeutenden Ingolstädter Juristenfamilie, starb aber bereits im November 1585, noch vor Ausbruch der großen Hexenverfolgungen. In seiner zweibändigen Sammlung von Gutachten, die erst 1618 von seinem Neffen Nikolaus in Augsburg herausgegeben wurde, heißt es z. B., dass kein Zweifel daran bestehe, wer der schwarze Hahn gewesen sei, der vor dem Hexengefängnis hin und her geflattert sei. |
Die zweite Periode des Hexenwahns 1618 – 1624Im März 1618 brandete das unselige Hexenwesen in Ingolstadt erneut auf. Durch die Denunziation dreier Kinder waren zwei der Hexerei verdächtige Frauen festgenommen, verhört und schließlich gefoltert worden. Am 19. November berichtete Statthalter Marquard Freiherr von Königseck nach München, dass dieser Fall eigentlich nicht für die Folter ausreiche, nachdem die Denunzierung durch Kinder erfolgt sei. Am 10. Dezember kam man innerhalb des Rats überein, den Knaben Philipp Maurer in den Taschenturm zu stecken, die Geschwister Alexander und Helena Lorenz jedoch im Blatternhaus unterzubringen. Bei einer Freilassung der Kinder müsse man befürchten, dass noch mehr Personen denunziert würden. |
Am 2. März kam der Befehl aus München, besonders die gefangene Margaretha Schwarz zu foltern. Am 5. März wurde aber nicht sie sondern ihre Mitgefangene Anna Lorenz bzw. Niklas der Folter unterworfen. Diese überstand den ersten und auch den zweiten Grad der peinlichen Befragung, ohne etwas zu gestehen. Beim dritten und grausamsten Grad allerdings – hierbei wurde die Delinquentin mit auf dem Rücken gefesselten Armen hochgezogen, wobei an ihren Füßen ein schwerer Stein befestigt war – gab sie zu, eine Hexe zu sein. Nach Beendigung der Folter widerrief sie ihr Geständnis. „Weil die Lorenzin also variiere“, sollte erneut Dr. Denich um Rat gefragt werden. Wenige Tage später musste Anna dieselbe grausame Prozedur wieder über sich ergehen lassen, diesmal auf den Rat Denichs hin. Erneut gestand sie unter der Folter, erneut widerrief sie im Anschluss daran. |
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Kurze Zeit darauf ein ähnlich schreckliches Schauspiel. Diesmal wurde Anna mit Ruten geschlagen, auf die Streckbank gebunden und auseinander gezogen. Wieder bekannte sie sich als Hexe. Diesmal hatten ihre Richter das Gefühl, dass „sie ires Verstands beraubt“ sei. Vermutlich war sie infolge der ungeheuren Schmerzen dem Wahnsinn verfallen. Schon wieder sollte nunmehr Dr. Denich um seine Meinung angegangen werden. Nachdem sich dieser jedoch in Schweigen hüllte, berichtete der Stadtoberrichter am 17. Mai dem Rat, dass der Bericht an Denich zugestellt worden sei. Offenbar unternahm Denich in dieser Angelegenheit keine weiteren Schritte, da am 20. Juli ein Befehl aus München verlesen wurde, wonach Anna Lorenz bzw. Niklas weiterhin im Gefängnis verbleiben solle und sorgfältiger Beobachtung zu unterziehen sei. Darüber hinaus solle man solche Personen zu ihr schicken, die ihr durch Zureden womöglich doch noch ein Geständnis entlocken könnten. Sofern alle Bemühungen keinen Erfolg hätten, sollte sie zu lebenslänglichem Kerker verurteilt werden. Margaretha Schwarz sollte auf freien Fuß gesetzt werden, ebenso die Kinder, die „an unterschidliche … örter ausgeteilt …, zu Gottesforcht auferzogen“, dabei aber auch stets sorgsam überwacht werden sollten. |
Allmählich stellte sich heraus, dass die Redereien der Kinder nur eines zum Ziel haben sollten, nämlich „die jetzige ziemlich suspecte Waisenmuetter“ zum Rücktritt zu bewegen. Deshalb sollten die drei Buben aus dem Waisenhaus für drei bis vier Wochen an „unverdechtige Örter“ gebracht werden, z. B. zu den Schergen, wo sie unter ständiger Aufsicht stünden. Die anderen drei Kinder sollten vorerst im Taschenturm bleiben. Im Dezember beklagte sich der Amtsknecht, dass er kein Holz für die Waisenkinder bekomme und man ihm auch kein Geld geben wolle. Er bat um beschleunigte Entscheidung in dieser Angelegenheit, damit die Kinder nicht erfrieren oder verhungern müssten. Vermutlich wurde dieser Tagesordnungspunkt zur Zufriedenheit des Amtsknechts erledigt, zumindest was das Holz betraf, da die Kinder im Januar 1624 immer noch inhaftiert waren. Die Kinder wurden erneut verhört und sagten aus, dass sie mit einigen von ihnen mit Namen genannten Frauen „ausfahren“, besonders in den Losnächten. Schließlich hatten sie alles widerrufen und zugegeben, dass alles nur „aus Forcht geschechen sei.“ Wieder wurde der Rat Dr. Denichs eingeholt. Dieser gab den Fall offenbar an die Juristenfakultät der Universität Ingolstadt weiter, die am 11. April zu dem Ergebnis gelangte, dass die Kinder „der Hexerei halber nit allerdings unschuldig“ seien. Gleichzeitig musste man jedoch zugeben, dass sich die Kinder fast in allen Punkten widersprochen und geradezu unmögliche Sachen von sich gegeben hätten. Man müsse das Alter der Kinder berücksichtigen, von denen das älteste elf, das jüngste aber noch nicht einmal vier Jahre zähle. Man kam zu dem Schluss, dass die Kinder freizulassen seien und „unverdächtigen Personen“ übergeben werden müssten, die sie zur Gottesfurcht und zur Arbeit anhalten sollten. Der Rat schloss sich am 12. April dem Gutachten der Professoren an, wollte aber wegen einer Aussage von Simon Ettmiller unverzüglich den Amtsknecht und seine Tochter verhören. Am 7. Juni wurden dem Waisenhaus anstatt der üblichen zwölf Klafter nur sechs Klafter Holz bewilligt, „da keine Kinder darin.“ Demnach waren die Kinder tatsächlich freigelassen worden. Dass die Knaben an bestimmte Erwachsene zur Erziehung gegeben wurden, geht aus dem Protokoll vom 19. Juli hervor. Die beiden Richtersknechte namens Georg und Thomas sowie der Zwack namens Markus erhielten bis auf weiteres von Almosenverwalter Hofmann Geld zum Unterhalt der Kinder. Maria Hitner, die bisher noch im Striglturm inhaftiert war, wurde im August in die Obhut der „alten Stadtpöttin“ Barbara Bauer gegeben. Ende August bot sich der Kürschner Michael Bayr an, dem Waisenkind Martin Glück vier Jahre lang das Kürschnerhandwerk zu vermitteln, und verlangte dafür 10 fl., wovon der Rat 8 fl. bewilligte. Damit scheint Meister Bayr nicht einverstanden gewesen zu sein, denn aus dem Ratsprotokoll vom 2. Oktober 1624 ist zu ersehen, dass Michael Glück schließlich bei Meister Michael Piler unterkam, bei dem er auf drei Jahre das Schusterhandwerk erlernte. Piler forderte sogar 12 fl. für sich und einen weiteren Gulden für seine Frau, die ihm aber anstandslos ausbezahlt wurden. Die Kosten sollten aus der Almosenkasse entrichtet werden. Verwalter Hofmann wurde angewiesen, die Hälfte des Betrags sofort und die andere Hälfte nach Beendigung der Lehre an Michael Piler auszuzahlen. Danach scheint in der Stadt wieder Ruhe eingekehrt zu sein. Auch ein kurfürstlicher Befehl vom 16. April 1625 über „die Hexerey und andere abergläubische Sachen“ fand allem Anschein nach in Ingolstadt zunächst wenig Beachtung. |
Die dritte und letzte Ära der Hexenverfolgungen 1628 – 1630 Weite Kreise zog allerdings einige Jahre später ein anderer Fall. Nachdem Maximilian zu Ohren gekommen war, dass einige im Hochstift Eichstätt als Hexen hingerichtete Frauen auch bayerische Untertanen beschuldigt hätten, bat er Bischof Johann Christoph von Westerstetten am 18. Oktober 1628, ihm deren Aussagen zukommen zu lassen, „da er solches heilloses Gesindel in seinen Landen keineswegs gestatten könne.“ Der Stadtrichter und die Räte von Eichstätt übermittelten daraufhin die einschlägigen Protokolle, aus denen hervorging, dass auch eine Katharina Nickl (Niggl), die man als „alte Hofschneiderin von Eichstätt“ bezeichnete, als Hexe bezichtigt worden war. Sie war aus Furcht vor einer Verfolgung aus Eichstätt geflohen und hatte bei ihrem Schwiegersohn, dem Buchdrucker Wilhelm Eder, in Ingolstadt Unterschlupf gefunden. Hier erfolgte nun ihre Verhaftung. Das Hochstift Eichstätt wurde während der Regierungszeit Bischof Johann Christophs von Westerstetten, der zuvor Fürstpropst von Ellwangen war, ab 1612 zu einem Zentrum der Hexenverfolgungen. So war z. B. auch eine Vorgängerin von Katharina Nickl, die Hofschneiderin Anna Schatz, am 15. Dezember 1622 als Hexe hingerichtet worden. Damals war ein beschuldigter Bürger, der Bäcker „Dolln Liendl“, von Eichstätt nach Gerolfing geflohen. |
Um die Jahreswende 1629/30 wurde die 60jährige Taglöhnersfrau Anna Mayr aus Unterstall, die so genannte Wurst-Anna, verhaftet und am 5. Januar in Ingolstadt verhört. Ihr wurde Wahrsagerei zur Last gelegt. Anna Mayr, die sich mit dem Sammeln von Kräutern ein geringes Zubrot verdiente, gab an, über 100 verschiedene Arten zu kennen und von ihrer Heilkraft zu wissen. Nach etlichen Zeugenaussagen wurde sie am 12. Januar erneut examiniert. Weitere Verhöre folgten am 26. Februar, am 7. März und am 16. März. Die letzte Befragung erfolgte durch eigens mit der Führung von Hexenprozessen beauftragte „Commissarien“ im Taschenturm. |